Schule und Kirche sowie “Rettungshaus” und Schneider Ebert (Drogerie)- Detailausschnitte aus diversen
historischen Ansichtskarten
Schulwesen und Industrialisierung II
1825 wurde das "neue Schullocal gebaut und 1829, nachdem schon von 1812 an Hilfslehrer tätig
gewesen waren, eine zweite ständige Schullehrerstelle gegründet. Auch mußte von nun an für alle
Kinder Schulgeld bezahlt werden. Bisher waren die Kinder von erbuntertänigen Ortseinwohnern von der
Zahlung des Schulgeldes befreit, indem die Herrschaft für sie... an den Schullehrer zahlte. Eine
Communalgarde, die sich 1848 (infolge der Revolution) auch in Berthelsdorf bildete, hatte ebenso, wie
die in Herrnhut und anderen Orten der Umgegend, nur kurze Zeit Bestand."(Korschelt 8.129)
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte sich das Handwerk in Berthelsdorf gut entwickelt.
Korschelt berichtet (S.16): "Handwerksmeister sind hier (nach der gewerblichen Standestabelle von
1849) 125, Gesellen 105 und Lehrlinge 40. Nur wenige Handwerke werden hier nicht vertreten sein."
Am 25. Juli 1847 wurde die Gründung eines Armenunterstützungsvereines im Beisein dreier Mitglieder
der Unitätsdirektion beschlossen. " Man wollte durch diesen Armenunterstützungsverein dem Unwesen
der Kinderbettelei begegnen und zugleich ein Mittel besitzen, um verschämte Arme zweckmäßig zu
unterstützen. Jeder, der diesem Verein beitrat, zahlte monatlich einen freiwilligen Betrag und machte
sich verbindlich, bettelnde Kinder abzuweisen. Von diesem Beiträgen wurden ganze und halbe Brote
an die hilfsbedürftigen Gemeindemitglieder verteilt.
Durch die Einrichtung der hiesigen Spinnschule wurde der Hauptzweck des Vereins, Abstellung der Kin-
derbettelei, auf anderem Wege erreicht. Es löste sich derselbe daher den 20. April 1850auf."(Korschelt
S.90) Diese Spinnschule, die 1850 entstand, hatte den Zweck, die Kinder, deren Eltern oft den ganzen
Tag in Herrnhut oder auf den Höfen beschäftigt waren, in ihrer schulfreien Zeit zu beaufsichtigen und
sinnvoll zu beschäftigen. ähnliche Einrichtungen gab es schon in Schönbach und Königshain.
Welche Bedeutung diesen Spinnschulen zu damaliger Zeit beigemessen wurde, sieht man aus folgender
Überlieferung: "Ein wichtiger Tag für die hiesige Spinnschule, ein Tag freudiger Erinnerung für
Berthelsdorf wird stets der 24. August 1852 sein: denn an ihm wurde der Spinnschule der hohe Besuch
Ihrer Majestät der Königin zu Teil. Die hohe Frau langte mit wenigem Gefolge, worunter sich auch die
Gräfin von Einsiedel, der Amtshauptmann von Corlowitz und der Landesbestallte von Mayer befanden,
von St. Marienthal kommend, in dessen Nähe sie auch die Königshainer Spinnschule in Augenschein
genommen hatte, Nachmittags um fünf Uhr hier an.
Durch das Geläute der Glocken und durch die Töne eines vor dem Spinnschulengebäude aufgestellten
Musikchors empfangen, wurde sie von drei Mitgliedern der Unitätsdirection und dem Stiftssyndicus
Kölbig begrüßt und zum festlich mit Blumen und Fahnen geschmückten Hause geleitet, wo bei ihrem
Eintritte, nach einer kurzen Anrede des Pastors Leupold, die Spinnschüler ein Lied anstimmten,
welches ihr von einem Mädchen auf einem Kissen gedruckt überreicht wurde. Mit gewinnender
Freundlichkeit nahm sie die Anstalt in Augenschein und verweilte einige Zeit in der Mitte der emsig
spinnenden Kinderschar. Bei ihrem Scheiden sangen die Kinder das Nationallied: "Den König segne Gott
ec."
In ein Lebehoch, welches vom Schullehrer Träger ausgebracht wurde, stimmte die versammelte Menge
mit ein. Von hier aus besuchte sie noch die übrigen Spinnschulen der Lausitz." (Korschelt S.70)
1853 wurde das "Rettungshaus für verwaiste und verwahrloste Mädchen" gegründet. Die Entstehung
dieses Hauses ist einem unbekannten Stifter zu verdanken gewesen. Es wurde bis 1909 von einem
gewählten Komitee verwaltet, danach übernahm es der Landesverein der Inneren Mission. Dieser
"veränderte die Anstalt durch einen prächtigen Neubau, welcher die Zierde des Dorfes geworden, und
galt nun die Anstalt besonders zur Aufnahme sittlich gefallener Mädchen."(Festzeitung zum 38.
Verbandstage des Bezirksverbandes Lausitzer Feuerwehren in Berthelsdorf 1912)
Ebenfalls 1853 wurde der erste Industriebetrieb Berthelsdorfs, die Cordsamtweberei und Färberei
"Gustav Paul" gegründet. Das Gebäude, das wir heute als "Pauls Fabrik" kennen, entstand jedoch erst
1886. Die jetzige Schule wurde im Jahre 1861 erbaut, nachdem das alte Haus, welches verschiedene
Umbauten erfahren hatte, nicht mehr den Anforderungen entsprach. Ein wichtiges Ereignis in der
Geschichte Berthelsdorfs war die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr 1882. "
Im Juni 1887 erließ die Gemeindevertretung an die Männer und Jünglinge einen Aufruf, sich zum
Beitritt einer zu gründenden Freiwilligen Feuerwehr zu erklären. Der Grund dazu war ein entstan-
dener Zwist in der den Lösch dienst ausübenden Pflichtfeuerwehr. Dieser Ruf war nicht vergeb-lich
getan, denn an dem Tage, wo die Bewohner Berthelsdorfs ihren Beitritt bekannt geben soll-ten, füllten
42 Namen die ausliegende Liste. Einige Mann fanden sich noch kurz nachher zum Ein-tritt bereit, so
daß die Zahl 50 erreicht wurde, welche als für unseren Ort nötig vorgesehen war" (Festzeitung zum 38.
Verbandstage des Bezirksverbandes der Lausitzer Feuerwehren)
1893 wurde die Kleinbahn zwischen den Orten Herruhut und Bernstadt gebaut mit dem Ziel, die
Industrialisierung zu fördern. Im Jahre 1894 beförderte diese Schmalspurbahn 46.328 Personen (im
Durchschnitt 127 pro Tag).
An Frachten fielen hauptsächlich Braunkohlen, Baumwolle,
Getreide, Twiste, Zuckerrüben, Baumwoll- und Papierabfalle
an. In Bernstadt hatte sich die Tuchmacherei angesiedelt. Zwei
Betriebe produzierten bis zur Währungsunion 1990 Grobgarne,
Grobtextilien und technische Gewebe.
Die ansässige Textilindustrie wusste die Bahn von Anfang an zu
nutzen, es gab jedoch nur einen Gleisanschluss. Er zweigte im
Kilometer 3,1 zur Mechanischen Weberei Paul ab und wurde mit
einem Übergabezug von Herrnhut aus bedient. Dieser dampfte
vom Anschlussgleis aus weiter bis Berthelsdorf (b Herrnhut) und
kam von dort nach Herrnhut zurück.
Die Bevölkerung traf es sehr, als die sowjetische
Besatzungsmacht den Abbau der Schmalspurbahn Herrnhut -
Bernstadt (Oberlausitz) als Reparationsgut befahl. Nach den
Aufzeichnungen des Bahnhofsvorstehers in Bernstadt wurde die
Strecke bis Kunnersdorf a. d. Eigen vom I. bis 16. Oktober 1945 abgebrochen.
Geschichte - Schulwesen
und Industrialisierung II